Autor Thema: Der Fall Kerry Sanders (1)  (Gelesen 1818 mal)

Joe Cool

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Der Fall Kerry Sanders (1)
« am: 08. Aug. 2012, 11:25:17 »
Kerry Sanders, das jüngste von neun Kindern, litt unter paranoider Schizophrenie. Im Alter von 27 hatte er schon über 7 Jahre mal in Nervenheilanstalten, mal draußen mit den Dämonen in seinem Kopf gekämpft. Wenn er seine Medikamente nicht regelmäßig einnahm, lag er manchmal in den Rinnsteinen von Los Angeles- und ähnliches tat er auch an einem Tag im Oktober 1993.
Kerry schlief auf einer Bank vor dem Medizinzentrum der Universität von Südkalifornien und wurde prompt wegen unbefugten Betretens des Geländes festgenommen. Damit begann seine Pechsträhne. Eine Routineüberprüfung der Fahndungsliste ergab nämlich, das ein gewisser Robert Sanders, ein Berufsverbrecher, fünf Wochen zuvor aus einem New Yorker Staatsgefängnis ausgebrochen war, wo er seit 1990 eine Strafe wegen eines Mordversuchs an einem Kokaindealer absaß.

Natürlich war der Kerry Sanders aus Kalifornien nicht der Robert Sanders aus New York. Aber ich denk mal, „Kerry“ und „Robert“ sind schon sehr ähnliche Namen, und Kalifornien und New York … sind, na ja, beide auch ganz schön GROSSE STAATEN …

Aber ausgesprochen blöd für Kerry war es schließlich, dass er ausgerechnet am gleichen Tag Geburtstag hatte wie Robert.
Für die Bullen in L.A. reichte das nun vollkommen aus, obwohl derselbe Computerausdruck der Fahndungsliste auch zeigte, das Kerry Sanders im Juli 1993 aufgegriffen worden war, als er auf einer Straße in Los Angeles herumtorkelte … zu einem Zeitpunkt also, wo Robert Sanders immer noch in einem New Yorker Gefängnis saß.
Egal: Kerry Sanders wurde nach New York geschickt, um dort den Rest von Robert Sanders Strafe abzusitzen. Er blieb zwei Jahre in der New Yorker Haftanstalt, während seine Mutter die ganze Zeit überall in Los Angeles nach ihm suchte. Irgendwie versäumten es die Polizisten in L.A., die zwei Berichte abzugleichen … das hätte nämlich ergeben, dass ihr Typ ganz andere Fingerabdrücke hatte.

Während des ganzen Prozesses hatte Kerry nur einen Menschen, der ihm hätte helfen können … den Pflichtverteidiger, der ja berufen wurde, um die Interessen seines Klienten zu vertreten. Aber dieser 30jährige ‚altgediente’ Justizbeamte riet ihm, nichts gegen seine Auslieferung zu unternehmen. Er erklärte Kerry, dass der Antrag seinen Aufenthalt im L.A. County-Gefängnis nur verlängern würde. Es sei klüger, den Schwanz einzukneifen, weil Kerry am Ende doch wieder nach New York zurückgebracht werden würde. Offensichtlich hatte dieser famose Verteidiger nicht einmal erkannt, dass Kerry geistig etwas ‚minderbemittelt’ war, geschweige denn, dass er an einer schweren Geisteskrankheit litt.
Aber hätte das überhaupt eine Rolle gespielt?