Autor Thema: Negativzinsen in Europa  (Gelesen 1630 mal)

Ryu

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Negativzinsen in Europa
« am: 04. Jun. 2015, 09:13:01 »
Seit geraumer Zeit schon müssen sich die Politiker und die EZB nun schon mit den Folgen der Eurokrise befassen. Um diesen entgegenzuwirken und einen Austritt von verschuldeten Ländern zu verhindern hat die EZB Anleihekäufe in die Wege geleitet und die Leitzinsen immer weiter gesenkt. Die Zinsentwicklung in Europa wird dadurch nun aber immer kurioser. Das man auf Sparguthaben praktisch keine Zinsen mehr bekommt, daran mussten sich die Sparer in den letzten Jahren ja schon gewöhnen. Doch jetzt ist der Einlagezins durch die massiven Anleihekäufe der EZB erstmals unter null, also in den negativen Bereich, gerutscht. Sollte sich daran nichts ändern, und die Banken diesen Zinssatz an ihre Kunden weitergeben, würde sich dadurch das ganze System praktisch umkehren. Auf Spareinlagen müsste man dann Zinsen zahlen, statt welche zu bekommen, und umgekehrt würde man für Kredite keine Zinsen mehr zahlen, sondern Geld bekommen.

Das klingt zunächst einmal zu verrückt um wahr zu sein, doch tatsächlich ist dieses System in einigen Bereichen bereits da. Auf Staatsebene zum Beispiel gibt es bereits viele solcher Kredite. Die Bundesrepublik Deutschland bekommt von den Geldgebern also quasi Geld dafür, dass sie sich Geld von ihnen leiht.

Die Commerzbank bereitet sich derzeit darauf vor dieses neue Zinssystem einzuführen, bereits zum Jahresende hin könnte es soweit sein, wenn auch zunächst nur für Großkunden. Auch Privatkunden könnte dieses System treffen, einige Banken nehmen bei hohen Einlagen bereits solche „Strafzinsen“.

Verbraucherschützer bezweifeln allerdings, dass die Einführung eines derartigen Negativzinses bei bereits bestehenden Guthabenkonten auf breiter Fläche so ohne weiteres juristisch möglich wäre. Auch einige Experten gehen eher davon aus, dass die Banken stattdessen die Gebühren erhöhen werden, also höhere Kontoführungsgebühren verlangen werden oder aber zusätzliche Gebühren für Überweisungen.

Doch warum senkt die EZB ihren Einlagezins überhaupt unter null? Was ist ihr Ziel? Nun, hierbei geht es in erster Linie darum Investitionen zu fördern und das Geld wieder mehr in Europa zu verteilen. Denn Banken mit höheren Kapitaleinlagen, also in den reicheren Ländern, wären davon wesentlich stärker betroffen als die vergleichsweise armen Banken der südlichen Länder. Wenn die Banken auf ihre Einlagen Strafzinsen zahlen müssen so sind sie vielleicht eher bereit es zu investieren, auch und vor allem in den Krisenländern. Diese Investitionen kämen dann den Geschäftsleuten vor Ort zugute und würden in den Regionen für einen Wirtschaftsaufschwung sorgen, so zumindest die Hoffnung.

Allerdings haben erste Erfahrungen mit Ländern, in denen der Negativzins bereits Einzug gehalten hat gezeigt, dass die tatsächlichen Auswirkungen auch in die komplett andere Richtung gehen könnten. In Dänemark sind die Zinsen für Kredite deutlich gestiegen, da sich die Banken ihren Verlust von den Kunden zurückholen, und das würde dem Wirtschaftswachstum eher im Wege stehen. Allerdings muss man dabei wohl auch berücksichtigen, dass die Dänen den Negativzins zu einem anderen Zweck eingeführt hatten als die EZB, und darüber hinaus zu dem Zeitpunkt der Einlagezins der EZB noch nicht im Minus war.

Die Frage ist also ob der Negativzins wirklich positive Auswirkungen in den Krisenländern haben wird und wie sich das System selbst verändern wird. Denn ich denke eine Sache ist wohl klar: Sollte dieses System der Negativzinsen auch auf normale Bankkunden Anwendung finden, so wird sich das Verhalten der Menschen vermutlich ändern. Was denkt ihr? Welche Auswirkungen hätte es, wenn man auf sein Guthaben Zinsen zahlen müsste und fürs Schulden machen auch noch Geld bekäme?

Quellen: focus.de, welt.de, ntv.de, spiegel.de

Aktuelle Artikel zu dem Thema:

http://www.welt.de/finanzen/article116573543/Wie-die-EZB-Banken-fuers-Sparen-bestrafen-will.html

http://www.welt.de/finanzen/article137601505/Sind-Negativzinsen-auf-dem-Girokonto-unzulaessig.html

http://www.focus.de/finanzen/banken/vorbereitungen-auf-negativzins-szenario-warum-die-bank-bald-ihre-schulden-bezahlen-koennte_id_4622369.html

Ältere Artikel zu dem Thema:

http://www.n-tv.de/wirtschaft/Commerzbank-fuehrt-Negativzinsen-ein-article13998121.html

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/negativzinsen-fuer-sparbuecher-und-girokonten-drohen-strafzinsen-a-1000600.html