Autor Thema: "Bicycle Repairman" beim WTM  (Gelesen 5083 mal)

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"Bicycle Repairman" beim WTM
« am: 16. Mai. 2019, 11:59:18 »
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Michel (franz. Aussprache), "Bicycle Repairman" beim WTM

Der „Bicycle Repairman“ beim Werkstatt-Treff Mecklenheide (WTM)

Michel, „the Bicycle Repairman“. Diese Bezeichnung hat er selber mir Mal, zusammen mit
einem Hinweis auf "Monty Python", mit auf den Weg gegeben. Ich hatte da nach einem anderen Begriff
für „Fahrradmechaniker“ gesucht habe. Als jemand, der „Monty Python" gerade Mal dem Namen
nach kennt, konnte ich das nur in der Übersetzung „English-Deutsch“ verarbeiten. Dank „Google“
weiß ich jetzt mehr.

Ich habe Michel gestern in seinem „Bicycle Repair Shop“ in der "Werksmeile" besucht, eher zufällig, denn
eigentlich war ich wieder auf der Suche nach etwas Anderem; einer Story: Text, Bild, Video – was das genau
werden würde, war noch nicht ganz klar. Um es vorwegzunehmen: ich bin wieder bei Michel fündig geworden.

Vorbereitung auf die „Stöberwelten“

Anfänglich plauderten wir über Fahrräder und Technik, aber es zeigte sich, je länger wir plauderten,
dass eine Geschichte über Fahrräder auch eine Geschichte über Michel ist.

Ehrlicherweise muss ich noch einen Schritt weiter zurückgehen, denn als allererstes fragte ich ihn,
wo genau die Fahrräder für die nächsten Stöberwelten aufgebaut werden würden. Die Stöberwelten
finden zweimal im Jahr statt, im Mai (18.05.2019) und im September (21.05.2019) und sind bei den
HannoveranerInnen außerordentlich beliebt. Es ist ein Tausch- und Flohmarkt, wobei besonders das
Tauschen eigener Sachen den Menschen besonders viel Freude bereitet. Einkaufen kann man am
selben Ort im „Stöber-Treff Werksmeile“ unter dem Motto „Gebrauchtes neu erleben“.

Neugier kommt vor dem ersten Schritt

Wie auch immer, Michel meint, er hätte am Samstag auch gerne geschraubt. Das ginge aber nicht.
„Wir müssen unsere Arbeitsplätze wegräumen, damit wir hier Fahrräder für den Verkauf aufstellen
können.“ Michel ist gerade dabei einen Einrad-Fahrradanhänger zusammenbauen. Er sagt und weist
dabei mit der Hand zur Rückwand der Fahrradwerkstatt: Ich habe den Anhänger komplett zerlegt und
gereinigt. Ich habe ihn gefragt, ob ich mir das Mal ansehen dürfte.

„Klar komm mit“. Wir gingen zu der Werkbank, auf der der Fahrradanhänger in seine Einzelteile zerlegt,
geordnet lag. Alles war gereinigt. Blitzeblank. Ich dachte, okay, wer sich zutraut das so zu zerlegen, der
kennt sich aus und weiß genau, was er tut. Ich blickte über ein paar Dutzend Einzelteile bis mein Blick von
einer Ansammlung kleinerer silberglänzender Kugeln angezogen wurde. Ich dachte an ein Kugellager,
aber hier fehlte das Gehäuse – damit wirkte die Sache für mich irgendwie kompliziert und filigran.

Was zählt, sind Leidenschaft und Ausdauer

Ob er das richtig gelernt hat, so mit formaler Ausbildung, wollte ich wissen. Gelassen fasste er kurz für mich
seinen Ausbildungsweg zum „Bicycle Repairman“ zusammen. Formales war nicht dabei. Angefangen habe
er schon als Kind, erinnert er sich „halt so Sachen, die man macht“.
Irgendwann sagte er lächelnd, „etwa vor zehn Jahren wollte ich dann mehr.“ Er habe angefangen, alles über
Fahrräder zu lesen. „Am Anfang machst Du viel verkehrt.“ Er habe sich alte Schrotträder besorgt, da sei es
erstmal egal, wenn du etwas nicht hinbekommst oder sogar etwas kaputt machst. „Du musst die Sachen einfach
ausprobieren, dabei muss du auch Fehler machen dürfen. Sonst lernst du nichts.“ Nur lesen reiche nicht, ergänzt
er noch. Ich stimme ihm zu, wohlwissend, dass wir tatsächlich nicht gerade in einer fehlertoleranten Gesellschaft
leben. Welche Potentiale da wohl noch schlummern.

Kräftige Hände sind kein Hindernis

„Meine Hände sind nun auch nicht gerade zart“. Er hält mir seine offenen Handflächen entgegen. Er sei
auch Mal Trecker gefahren, kommentiert er. Ich spiele auf die kleinen silbermetallischen Kugeln der
Kugellagerung an. „Wenn ich das Kugellager wieder zusammensetze, kann ich auch eine Pinzette nehmen.“
Ich denke für mich, dass ich das gerne Mal sehen würde, wie so ein Kugellager wieder zusammengebaut wird.
Aber die Bemerkung mit dem Trecker dominiert meine Gedanken. Ich kannte Mal jemanden, der professionell
für einen Maschinenring (Lohnunternehmer mit Agrartechnik) Trecker gefahren ist und frage Michel, ob das bei
ihm auch so war. Er kann aber mit dem Begriff des Maschinenrings nicht viel anfangen.

Überlandfahrt mit dem Trecker

„Wir sind mit dem Trecker und Bauwagen unterwegs gewesen.“ Ich staune und überlege, wie viele Menschen
in ihrem Leben nicht ganz alltägliche Sachen unternehmen und erleben. „Wir sind von Hannover bis Frankfurt
gefahren, drei Monate über die Dörfer.“ In den Dörfern hätten sie dann Zirkusshows gegeben. „Immer zwei
Shows, dafür durften wir dann auf den Plätzen für die Fahrensleute stehen und übernachten.“ Die Leute in
den Dörfern hätten an der Unterhaltung viel Spaß gehabt, erinnert sich Michel. „Wir haben dort vielfältige
Kleinkunst gezeigt.“

„Die Fahrensleute haben uns immer skeptisch beäugt“, schmunzelt er, „wir waren ja mit unserem Traktor
und Bauwagen unterwegs, wie die vor 100 Jahren.“ Sie hingegen reisten heute mit: Lastwagen, Unimog
und großem Mercedes.

Gelangweilte Fahrradnerds? Nicht wirklich

„Es gibt ja unheimlich viele Videos auf youtube, die zeigen, wie du dein Fahrrad reparieren kannst“.
Wenn er Mal etwas nicht genau wisse, würde er sich dort informieren. Er ist auch schon sehr, sehr häufig
in der Reparaturwerkstatt gewesen. „Dort kommen sie alle hin, die Fahrradkuriere und die Nerds: alles
ehrenamtlich.“ Die wirkten manchmal auf den ersten Blick vielleicht etwas gelangweilt, sagt er und fügt
hinzu, dass die das halt jeden Tag machen würden. „Die kennen alles.“ Da habe er sehr viel gelernt und
für ihn seien die Sachen immer neu gewesen. Michel sagt das anerkennend und dankbar und ich glaube
auch ein klein bisschen stolz, denn nach einem langen Weg gehört er heute auch zu ihnen: zu denen,
die alles kennen.

Ich frage ihn, ob das nicht tatsächlich auch Mal langweilig werden würde, jeden Tag Fahrräder zu reparieren.
Michel sagt dazu: „Wenn das Mal soweit kommen würde, dann mache ich was Anderes. Ich glaube aber nicht,
dass das passiert.“ Dabei klingt er aus der Tiefe heraus überzeugend: nach Leidenschaft und viel Erfahrung.

„Das ist keine Raketentechnik“

Ich beobachte, wie er die Teile für den Fahrradanhänger betrachtet und nacheinander verschiedene Teile
mit den Fingern greift und aus der Nähe anschaut, sie in den Fingern dreht und einige eigentlich weiße
Kunstoffscheiben, die aber etwas verfärbt wirken, zwischen den Fingern reibt. Er hebt den Kopf und
sagt verständig: „Das sind halt die Gebrauchsspuren, aber das ist alles noch tiptop.“

Ich merke, dass einem solch eine Tätigkeit nur Spass machen kann, wenn man technisches Verständnis mitbringt
und gerne mit den Händen arbeitet. Zerlegen, reinigen, austauschen und wieder zusammenbauen – prüfen, testen
und fahren. Michel macht auf mich damit einen ganz zufriedenen Eindruck.

Und bevor ich mich wieder an meinen Schreibtisch setze, zeigt er mich noch, wie das ganz praktisch mit den
Kugeln für das Kugellager gemacht wird.

Vielleicht werde ich mich irgendwann Mal bei Michel bewerben und werde auch ein „Bicycle Repairman“.



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So sieht das mit den Einzelteilen aus: https://www.facebook.com/WTMeV/videos/294615591415002/?t=0

Hier zeigt der "Bicycle Repairman" wie die kleinen silbergrauen Metallkugeln der Kugellagerung an der
Felge eingesetzt werden: https://www.facebook.com/WTMeV/videos/1324704577676752/?t=96[/size]


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