Autor Thema: Ganz normale Männer-Das Reserve Polizei Bataillon 101 u. d. "Endlösung" ...  (Gelesen 2286 mal)

morfois43

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Hallo,

ich möchte heute das Buch "Ganz normale Männer - Das Reserve Polizei-Bataillon 101 und die "Endlösung" in Polen" von Christopher R. Browning vorstellen.
Es geht in diesem Buch um die Frage, die uns Deutsche immer wieder umtreibt: Wie konnte der "Holokaust" (neuere Schreibweise) geschehen? Waren das alles Taten der SS? Warum hat sich, von den 'braven' Wehrmachtssoldaten keiner geweigert, bei diesem Jahrhundertverbrechen mitzumachen?

Das Buch: Der Historiker Christopher R. Browning hat, am Beispiel des Hamburger Reserve Polizei-Bataillons 101, versucht, die Fragen zu klären. Er hat erstaunliches herausgefunden.
Das Reserve Polizei-Bataillon war eine Polizei-Einheit, deren Mitglieder in der Regel zu alt für den Dienst an der Front waren. Sie waren ein "Querschnitt der Gesellschaft", ganz normale Männer.
Im Sommer 1942 wurden diese etwa 500 Männer nach Polen gebracht. Vor Ort wurde ihnen mitgeteilt, das sie für einen 'Sonderauftrag' ausgewählt worden seien. Sie sollten in mehreren polnischen Dörfern die jüdische Bevölkerung aufspüren und zusammentreiben. Die arbeitsfähigen Männer sollen für den Arbeitseinsatz in den Lagern ausgesondert werden, die übrigen, Alte, Kranke, Frauen und Kinder, sind auf der Stelle zu erschießen. 

Vor ihrem Einsatz machte der Kommandant den Leuten das Angebot, wer sich dieser Aufgabe nicht gewachsen fühle, könne sein Gewehr abgeben und würde dann zu einer anderen Aufgabe eingesetzt. Nur etwa 12 Männer von fast 500 traten vor. Die Erschießungen dauerten Tage. Mancher Soldat ertrug das Morden nur mit Unmengen von Schnaps. Beim Erschießen mit einem Sturmgewehr aus nächster Nähe in den Hinterkopf explodierte der Schädel des Opfers förmlich, Schädel- und Hirnreste spritzen den Soldaten auf die Uniform. Trotzdem wurde der Auftrag durchgeführt.

Die Männer, die sich weigerten, wurden nicht bestraft, schon gar nicht hingerichtet, wie es heute immer wieder gern behauptet wird ("Befehlsnotstand!"). Sie wurden zum Wachestehen abkommandiert.

In ganz Polen und Russland wüteten in der Folgezeit diese Polzeibataillone, erschossen Tausende von Menschen und brachten weitere Tausende in Konzentrationslager. Durch minuziöse Auswertung aller verfügbaren Quellen versucht der Autor nicht zu erklären, aber doch Gründe und beeinflussende Umstände dafür zu finden, wie "ganz normale Männer" zu Massenmördern gemacht werden konnten. In einem neuen Nachwort von 1998 setzt sich Browning mit den Thesen Daniel Jonah Goldhagens ("Hitlers willige Vollstrecker") kritisch auseinander.

Der Autor: Christopher R. Browning, geboren 1944, ist Professor für Geschichte an der Pacific Lutheran University, Tacoma, Washington. Sein Buch "Ganz normale Männer" hat seinen Ruf begründet.

Die, mittlerweile 6. Auflage, ist bei Rowohlt, Hamburg erschienen. Es hat 336 Seiten (Taschenbuch) und kostet bei Amazon neu 9,99 Euro, gebraucht 6,29 Euro (+ 3,00 Versand). Es ist natürlich auch über die Stadtbibliothek ausleihbar.
« Letzte Änderung: 05. Mär. 2012, 14:45:48 von morfois43 »