Autor Thema: WTM-Garten: Wissen, Können, Erfahrung und ein grüner Daumen  (Gelesen 3361 mal)

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Der Frühling kann jetzt kommen.


"Es kommt darauf an, was man daraus macht"

Im Bereich Garten des Werkstatt-Treff Mecklenheide e.V. (WTM) gibt es elf Beschäftigte. Einer von ihnen ist Alfred. Er ist 56 Jahre jung. Um ihn geht es hier vorrangig. Der Bereich Garten kümmert sich um den Gemüse- und Kräuteranbau im WTM-eigenen Garten. Dazu kommen u.a. die Pflege der Gartenanlage mit Hochbeeten und Gewächshaus und des gesamten Geländes des Werkstatt-Treffs in Hannover-Hainholz. In jedem Frühjahr stellt der WTM für den NABU Krötenzäune in der Region Hannover aus.

Es ist Anfang April und die Sonne scheint. Trotzdem ist es kalt. „Zu kalt zum Säen“, sagt Alfred. Alfred ist beim WTM Anleiter für den Arbeitsbereich Garten. Er entscheidet über den richtigen Zeitpunkt, wann was gemacht wird. Dass seine Entscheidungen richtig sind, darauf verlassen sich hier alle. Man darf sich das nicht so vorstellen, dass Alfred als Chef daherkommt. Er strahlt eine ruhige, entspannte Autorität aus. Ehrlich, bodenständig. „Ich habe den Beruf Gärtner nicht gelernt, ich bin von Haus aus Maurer.“ Wie er zum Gartenbau gekommen ist, frage ich ihn, worauf er knapp antwortet. „Wir hatten immer einen Garten, da lernst du das alles?“

Ich begleite Alfred zum WTM-Garten. Hier vom Hauptgebäude sind das gerade Mal 200 m. Das hatte sich eher zufällig ergeben. Ich war neulich im Garten zum Fotografieren und hatte mir jetzt gerade ein paar Fragen dazu aufgeschrieben. Plötzlich stand Alfred in der Tür. Wie aus heiterem Himmel, aber aus einem anderen Grund. Danach wollte ich die Gelegenheit nutzen und bin mitgegangen.

Im Garten warten schon zwei seiner Mitarbeiter. Alfred signalisiert ihnen wortlos - mit einer spartanischen Kopfbewegung ohne merklichen Einsatz seiner Hände, dass er jetzt erst noch mit mir sprechen möchte. Ich habe die Geste wahrgenommen und mich gefragt, ob das tatsächlich das bedeuten sollte, was ich dachte. Seine Mitarbeiter haben ihn verstanden.

Die Natur bestimmt den Rythmus

Die Blumenbeete sehen aus, als warteten sie schon sehnsüchtig auf die Einsaat. So, wie wir nach dem Winter auf die Wärme. Alfred mahnt zu Geduld. „Vor Ende April ist da nichts zu machen, nachts haben wir ja noch immer Frost.“ Ich zeige auf das Gewächshaus und denke, da geht vielleicht schon was. Die Sonne blendet und Alfred blickt mit leicht zusammengekniffenen Augen hinüber. Er versteht mein Ansinnen auch ohne Worte. „Da drin wachsen schon Petersilie und Schnittlauch.“ Sie hätten auch gerade Tomaten gesät, sagt er und präzisiert, dass sie die immer von Grund auf selbst ziehen. „Wir lassen etwa die Hälfte davon im Gewächshaus, die andere Hälfte kommt später in die Hochbeete, von denen einige zu Beginn des Jahres ganz neu gebaut worden sind. Zwei sollen noch dazukommen, sodass insgesamt bald ein Dutzend großer und kleiner Hochbeete für den Anbau zur Verfügung stehen.

Alfred strahlt Lebenserfahrung aus. Wie sehr ihn die vielen Jahre geprägt haben, in denen er als Maurer tätig war, ist schwer zu beurteilen. Auch ist es nicht so leicht zu sagen, was es mit einem Menschen macht, wenn er tagein, tagaus Steine – rauhes Material immerhin, zu Wänden aufeinanderreiht. Schwere Arbeit. Meistens draußen unter freiem Himmel, bei Wind und Wetter.
Im Frühjahr wandern die meisten Kröten zur gleichen Zeit

Zugegeben: mein Blick schweifte gerade über den kleinen Garten und ich dachte, wie wenig ich doch eigentlich über Pflanzen, deren Zucht und richtigen Anbau weiß. Da sagte Alfred unvermittelt, „Wir haben gerade Krötenzäune aufgestellt“. Der Themenwechsel kam mir für den Moment ganz gelegen. Nicht das ich um eine Frage verlegen gewesen wäre, aber ich konnte einmal durchatmen und dem Gespräch mit dieser Wendung seinen Lauf lassen.

Und keine Frage: das Thema Krötenzäune ist sehr interessant und betrifft eben auch den WTM. Jedes Jahr kommt für die Zeit im März eine Anfrage vom NABU in Hannover. Beim NABU weiß man, wo in der Stadt und Region Krötenzäune aufgestellt werden müssen. Alfred erledigt diese Aufgaben mit einem Team an WTM-Freiwilligen. „Wir stellen dieses Mal Zäune in Garbsen an einem geplanten Wohngebiet auf. Dort haben sie vermutlich eine in Europa ganz seltene Krötenart entdeckt. Das wird gerade nochmal geprüft und wenn sich das bestätigt, dürfen die dort nicht bauen“. Alfred stellt das ganz sachlich fest. Sachlich ist übrigens ein Attribut, dass gut zu Alfred passt. Ein anderes ist unaufgeregt. Andere Menschen würden das mit den Kröten und dem Wohngebiet vielleicht gleich bewerten wollen. Denn nicht alle Menschen finden bei sich Verständnis für die manchmal weitragenden Entscheidungen eines konsequenten Umwelt- und Naturschutzes.

Alfred kommentiert das jedenfalls nicht und auch aus seiner Stimmer lässt sich nicht heraushören, wie seine Meinung dazu ist. Kein Zuspruch, keine Ironie, kein Spott: nichts. So etwas verläuft sich auch schnell in Spekulationen und Stammtisch-Palaver. Das sind beides nicht Alfreds Sachen. Für ihn zählt jetzt, dass die Krötenzäune ordentlich aufgestellt werden.

Sachlich und unaufgeregt: Gut möglich, dass gerade solche Eigenschaften einen guten Anleiter ausmachen.

Ernte für den Eigenbedarf - meistens

Die Ernte der Tomaten, Salate und der vielen verschiedenen Kräuter geht fast ausschließlich an die Kantine des WTM. Ich erfahre, dass es nur gelegentlich vorkommt, dass gerade mehr reif wird und geerntet werden muss, als in der Kantine gebraucht wird. „Das dürfen die Mitarbeiter dann mitnehmen.“

Ob er denn zur Aussaat Biosamen kauft, möchte ich wissen, worauf Alfred erwidert: „Darauf achte ich nicht, es kommt doch darauf an, was man daraus macht. Hier kommt nur organisches Material drauf.“ Ich frage ihn nach Kompost. „Wir kompostieren hier alles was möglich ist“, sagt er fachmännisch und zeigt dabei auf eine Ecke im hinteren Teil des Gartens. Etwas versteckt hinter einer Holzwand ist noch der Komposthaufen zu sehen. „Wir sammeln das, schichten das richtig aufeinander: Laub, Grünzeug, Erde und wenden das einmal“. Wie lange es dauern würde, bis der Kompost fertig sein würde, hake ich nach. Das würde vom Wetter abhängen, sagt Alfred, wobei er sich nicht auf einen genauen Zeitraum festlegen wolle, aber es würde wohl länger als sechs Monate brauchen.
Ich habe Mal gelernt, dass ein gesunder Boden voll mit Regenwürmer ist. Also Frage ich danach, wie es hier damit aussieht. „Nicht einen einzigen, die müsstest du schon hier aussetzen“, klärt mich der Anleiter auf, was mich dann doch erstaunt. Ich frage mich, ob das in Großstädten üblich ist. Dort leben vielleicht einfach keine Regenwürmer.

Hochbeete bringen mehr Ertrag

Wir gehen zu einem der Hochbeete. Alfred streicht mit der Hand über die Folie, die innen an den neuen Beeten befestigt ist und das Holz vor Feuchtigkeit schützen soll. „Hochbeete faulen von innen.“ Ich sehe an einem älteren Hochbeet, wie das Holz schon fortgeschritten verwittert ist. Das ist wohl eins derer, die bald noch erneuert werden sollen.

Die Beete werden ausschließlich aus gebrauchtem Holz zusammengebaut. „Dies sind Verschalungsbretter vom Bau, zur Deckenverschalung.“ Ich erkenne die Metallschienen an den Enden und bin überrascht, was mir ein „ja, stimmt“ entlockt. Ich finde es gut, dass der WTM so konsequent ist, wenn es um Nachhaltigkeit geht.

Alfred legt noch eins drauf: „Guck Mal hier: dieses Hochbeet.“ Ja, und? - denke ich. „Das ist die alte Werkbank aus dem WTM-Bereich Haustechnik.“ Tatsächlich, irgendwie „sehe“ ich erst jetzt die dicken sauber abgeschliffenen Bretter und auch erst jetzt erkenne ich, dass da insgesamt doch eine ganze Menge Arbeit drinsteckt, auch wenn Alfred immer wieder beteuert, dass das eher nicht der Fall wäre. Wie auch immer, die Hochbeete stehen bereit und bald wird es warm und es kann ausgesät werden. Endlich.

Jetzt machen sich allmählich seine Mitarbeiter bemerkbar. Sichtlich ungeduldig wollen sie nun endlich wissen, was als nächstes zu tun ist.
Obwohl ich Mal gelernt habe, dass man zum Schluss nicht noch mit neuen Sachen kommen soll, will ich das hier dennoch etwas erwähnen: Alfred ist humorvoll, verlässlich und verbindlich.


Videoclip: Alfred demonstriert ein von ihm selbst entworfenes und gebautes Gerät zum Aufrollen der gebrauchten Krötenzäune.

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« Letzte Änderung: 28. Mär. 2020, 12:46:35 von Redakteur »

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Antw:WTM-Garten: Wissen, Können, Erfahrung und ein grüner Daumen
« Antwort #1 am: 17. Apr. 2019, 10:20:55 »
Der Frühling kommt: bestimmt.